Die Geschichte
Cumianas
Unter dem
Begriff "Cominana" wurde der Ort schon in einem Dokument
aus dem Jahre 810 (im Zeitalter der Karolinger) erwähnt, bekannt
als "Schenkung des Teutcarius". Die Urkunde enthält
die freiwillige Abtretung der Ländereien "von Montegrosso
bis zum Grenzstein von Bess" zu Gunsten der Mönche von Novalesa,
im Susatal. Es wird vermutet, dass es sich bei Teutcarius um einen
langobardischen Krieger handelte, der auch nach der durch Karl den
Großen erlittenen Niederlage bei Chiusa di S. Michele weiterhin
Titel und Besitztümer innehatte. Nach dem Niedergang des Karolingischen
Kaiserreichs überschlagen sich die historischen Ereignisse: die
Herrschaft über Cumiana wechselt mehrfach. Zunächst gehört
es der Markgrafschaft von Susa an, später, im Jahre 980, fällt
es an die Orsini-Falconieri, Herren von Rivalta, Vasallen der Bischöfe
von Turin. Nach der Vermählung der Gräfin Adelaide di Susa
mit Oddone von Savoyen-Moriana im Jahr 1046 geht Cumiana in das Besitztum
der Savoyer über. Doch kurz danach zerfällt die Mark Turin
in eine Art feudale Anarchie. Cumiana untersteht erneut den Herren
von Rivalta (die zu Vasallen der Savoyer geworden waren, nachdem sie
sich von den Turiner Bischöfen losgesagt hatten). Als Friedrich
Barbarossa gegen die freien italienischen Gemeinden zu Felde zieht,
stehen die Herren von Rivalta jedoch wieder zu treuen Diensten der
Kirche; so kommt es, dass eben dieser Kaiser ihr Schloss im Jahre
1176 plündern und zerstören lässt.
Die Herren
von Rivalta treten im Jahr 1239 von der geschichtlichen Bühne
Cumianas ab, als ihnen zunächst Amedeo IV von Savoyen einen Teil
ihres Territoriums abkauft und dann im Jahr 1242 auch sein Bruder
Tommaso II ein weiteres Stück Land erwirbt (mit Ausnahme des
Gebietes "Le Marsaglie" - ein Flachland im Südosten
Cumianas). Nach erneuten Kämpfen um die Feudalherrschaft etablierten
sich erneut die Savoyer mit dem Grafen Amedeo V (genannt "Il
Grande" = "Der Große", 1285-1323), welcher 1291
auch den letzten Zipfel von Cumiana, das Gebiet "Le Marsaglie",
erwarb. Im Jahr 1294 fällt das Piemont an Filippo, den erstgeborenen
Sohn von Tommaso III. Mit ihm beginnt die Linie der Savoyer-Acaia
(1294-1369). Die Fürsten von Acaia, die üblicherweise in
Pinerolo residierten, hielten sich gerne im Schloss von Cumiana auf,
welches sie instandsetzen ließen und häufig als Kerker
für Persönlichkeiten hohen Ranges verwendeten. Der Frieden
in der Grafschaft dauerte bis zu dem Zeitpunkt, als sich der Sohn
von Filippo, Giacomo d'Acaia, von jeglicher Form der Unterordnung
unter andere Fürsten zu lösen versuchte. Die Spannungen
mündeten in einen erneuten Krieg: Im Jahr 1356 überquerte
Amedeo VI (genannt "Il Conte Verde" = "Der Grüne
Graf") die Alpen um die Rebellion des Cousins zu unterdrücken.
Auch das Schloss von Cumiana wird im Jahr 1359 von den Savoyischen
Truppen unter der Führung des "Grünen Grafen"
besetzt. Noch kommt es nicht zum Frieden, weil der Sohn des Giacomo,
Filippo II von Acaia, den Kampf auch gegen den Willen seines Vaters
wieder aufnimmt und das Piemont in Schutt und Asche legt. Erneut muss
Cumiana eine Belagerung erdulden (1368), diesmal durch den Grafen
von Acaia, der sich sogar englischer Söldnertruppen bedient um
den Rebellen besiegen zu können, der eingekerkert und später
im Aviglianasee ertränkt wird.
Bis zum Aussterben
der Linie der Acaia im Jahr 1418 befand sich Cumiana in unmittelbarem
Besitz der Familie Canalis, die den Ort am 24. August 1366 für
zehntausend Goldgulden von Fürst Giacomo d'Acaia erworben hatte.
Die Familie der Canalis, einflussreiche Notare und Rechtsgelehrte,
die den Fürsten von Acaia am Hof von Pinerolo dienten, blieb
Cumiana bis zu ihrem Untergang im Jahr 1801 verbunden. Der Ort, nicht
mehr in direktem Besitztum der Savoyer, fiel unter die Feudalherrschaft
neuer Herren und es begann eine lange Phase des Niedergangs. Nach
vergeblichen Bemühungen gelangte man am 6. November 1429 endlich
zu einer Übereinkunft zwischen den Herren von Canalis auf der
einen und den Bewohnern Cumianas auf der anderen Seite. An diesem
Tag wurde die sogenannte "Freilasssung" besiegelt. Mit diesem
Dokument wurde die Gemeinde bevollmächtigt selbst Steuern auf
verschiedensten Gebieten des Handels zu erheben. Trotz der erzielten
Vereinbarung verbesserten sich die Lebensumstände der Menschen
in Cumiana in den folgenden Jahren nicht. Das 16. Jahrhundert beginnt
mit neuen Kriegswirren. Im Jahr 1517 ist Cumiana, das bereits von
der Pest heimgesucht worden war, gezwungen, das bewaffnete Heer des
Franzosen Francesco I zu beherbergen und im Jahr 1536 fielen französische
Truppen im Piemont ein.
Zu dieser
Zeit führten die Canalis den Reisanbau ein, der der örtlichen
Wirtschaft nicht diente und zudem noch schwere Krankheiten bei der
Bevölkerung auslöste (erst um das Jahr 1630 veranlassten
die andauernden Klagen der Bewohner die Herrscher dazu auf den Reisanbau
zu verzichten). Die Besetzung durch die Franzosen dauerte bis zum
Jahr 1559, als der neue Herzog, Emanuele Filiberto, die Truppen jenseits
der Alpen in der Schlacht von S. Quintino in Flandern schlug und das
Herzogtum am 3. April 1559 mit dem Frieden von Cateau-Cambrésis
wiedererlangte. Der Handel wird wieder aufgenommen - genau zu dem
Zeitpunkt, als der Wochenmarkt am Freitag gegründet wird, ein
Brauch, den es bis heute gibt - die Steuerzahlungen und Abgaben werden
verringert und die Einwohnerzahl des Ortes steigt wieder. Aber der
Frieden währt nur kurze Zeit. Emanuele Filiberto verstirbt im
Jahre 1580 und sein Sohn Carlo Emanuele I schlägt sich bei den
Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Spaniern und Franzosen
auf die Seite der Spanier. Der neue Krieg hat fatale Folgen: General
Lesdiguières fällt in Piemont ein und plündert die
Ländereien. Im Jahr 1593 wird das alte "Castello della Costa"
zerstört. Fünf Jahre später kommt erneut die Pest übers
Land, die 1630 ein derart verheerendes Ausmaß annimmt, dass
man nicht einmal die Zahl der Opfer kennt. Die miserablen Verhältnisse
im Land zwingen die Canalis zu einer Neuverhandlung des alten Vertrages
von 1429. Dadurch werden viele der Steuern, die noch auf den Bürgern
lasten, aufgehoben. Im Jahre 1690 schließt sich Herzog Vittorio
Amedeo II der Allianz gegen den Sonnenkönig Ludwig XIV an und
wird von den Franzosen unter Marschall Catinat in der tragischen Schlacht
"delle Marsaglie" (auch Schlacht von Orbassano genannt)
am 4. Oktober 1693 geschlagen. Das 18. Jahrhundert beginnt mit Waffenstillständen
und neuen Konflikten. Straßen werden weiter ausgebaut, alte
Kirchen restauriert und neue gebaut. Die Französische Revolution
und die Belagerung durch die Franzosen werden in Cumiana von dem neuen
republikanischen Gemeinderat begrüßt und der Anschluss
an die Napoleonische Republik am 21. Dezember 1798 beschlossen (zu
diesem Zeitpunkt sind die bewaffneten Franzosen gerade einmal 10 Tage
in Piemont). Im Jahr 1802 wird Piemont von Frankreich annektiert und
bleibt bis 1814 französisch, als die Savoyer auf den Thron zurückkehren.
Das 19. Jahrhundert verläuft friedlich. Ausdruck eines örtlichen
Bürgertums sind die erstmals ins Amt berufenen Bürgermeister,
die fortan die Ortschaften verwalten. Die Unterdrückung durch
die Feudalherren hatte mit der Französischen Revolution ein jähes
Ende genommen. Im Jahr 1801 wird das Postamt eröffnet. Im Jahr
1822 wird der Markt teilweise überdacht. Im Jahr 1834 wird das
Krankenhaus in Betrieb genommen und drei Jahre später ist die
Trasse einer neuen Straße nach Pinerolo abgesteckt. Mitte des
19. Jahrhunderts wird Cumiana durch eine Straße mit Piscina
verbunden; diese kreuzt die neue Bahnverbindung von Turin nach Pinerolo.
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben
sich grundlegend verändert. Die letzten Überreste der alten
Herrschaftsform sind bürgerlichen Berufen gewichen: man verdient
sich als Händler, Anwälte, Notare und Grundbesitzer. In
Cumiana öffnen Glasereien, Besenbinder und andere kleine Handwerksbetriebe.
Die Bergbauindustrie nimmt einen Aufschwung (vor allem in den Steinbrüchen
von Montegrosso). Und dennoch zwingt der starke Bevölkerungszuwachs
zahlreiche Bürger Cumianas Ende des Jahrhunderts zur Auswanderung.
Auf der Suche nach Arbeit zieht es sie hauptsächlich nach Frankreich
und Südamerika.
Auch das
20. Jahrhundert bringt große Veränderungen und blutige
Konflikte mit sich. Tausend Bewohner von Cumiana stehen zwischen 1915
und 1918 unter Waffen: davon verlieren 99 ihr Leben auf dem Schlachtfeld.
Im Jahr 1944 erleidet der Ort ein weiteres schlimmes Schicksal: am
3. April werden 51 Bürger, die als Form der Repressalie willkürlich
aus der männlichen Bevölkerung ausgewählt wurden, durch
die deutsch-italienische SS erschossen. Dies geschieht nach einem
Feuergefecht, das sich zwei Tage zuvor auf der Piazza Vecchia ereignet
hatte. Immer wieder stößt man auf Grabsteine, die von den
zahlreichen Schicksalen künden. Wenig später wurde die Rückkehr
zur Normalität von einem schnellen wirtschaftlichen Aufschwung
begleitet, der nicht ohne Widersprüche verläuft: während
die ortsansässigen Fabriken, die Waren aus Gummi, Blech, Plastik
oder Harzen produzieren, Hunderte von Arbeitern beschäftigen,
pendelt jedoch die Mehrzahl der Arbeitskräfte täglich von
Cumiana in die Firmen und Büros der nahegelegenen Großstadt.
Das traditionelle Landleben stirbt mehr und mehr aus, was sich besonders
in den Bergregionen bemerkbar macht, aus denen immer mehr Menschen
abwandern. Die Zukunft liegt - wobei bereits zarte Zeichen einer Kehrtwende
erkennbar sind - darin, erneut ein Gleichgewicht herzustellen, Wachstum
zu kontrollieren, die Umwelt zu schützen und dem kulturellen
und künstlerischen Erbe mehr Wert beizumessen. Dies sind Zielsetzungen,
die allgemein befürwortet werden und durchsetzbar sind.
Kirche
und Kirchturm von San Gervasio
Bei dem von der Kirche getrennt stehenden Kirchturm handelt es sich
um ein Bauwerk aus dem 9. Jahrhundert. An Stelle der ursprünglichen
Kapelle wurde im 18. Jahrhundert die heutige Kirche "San Gervasio"
erbaut. Daneben befindet sich einer der ältesten Friedhöfe
des Piemont, zu dem die "Strada dei morti" (= Straße
der Toten) führt.
Die Kirche
San Giovanni Battista della Costa
Diese Kirche wurde von 1338 von dem damaligen Bischof von Turin, Guido
Canalis, gegründet. Die Leichname der Grafen Canalis werden hier
noch heute aufbewahrt, wovon eine Inschrift unterhalb des Hauptaltars
zeugt. Der Innenraum besteht lediglich aus einem Hauptschiff und vier
weiträumigen symmetrischen Kapellen. Im gesamten Gotteshaus befinden
sich zahlreiche Kunstwerke aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Die Kirche
Santa Maria della Motta
Das barocke Bauwerk, das sich majestätisch mitten im Stadtkern
von Cumiana erhebt, fällt den Besuchern des Ortes sofort ins
Auge. Gegründet im Jahr 1407 von der Familie Canalis, handelte
es sich bereits bei der ursprünglichen Kirche um einen sehr mächtigen
Bau, der noch heute mit seinem elliptischen Hauptschiff zu den größten
Kirchen des Piemont mit ovalem Grundriss zählt. Im Innenraum
bieten sich dem Besucher auch Kunstwerke aus dem 18. und 19. Jahrhundert;
etliche der Gemälde aus dem 18. Jahrhundert sind jedoch dringend
restaurationsbedürftig und daher der Öffentlichkeit nicht
zugänglich.
Die Kirche
San Pietro in Vincoli
Hierbei handelt es sich um eines der ältesten Bauwerke der Gegend
um Cumiana im Vorort Tavernette. Sie wurde im Jahr 1319 als einschiffiges
Gotteshaus auf einem Hügel errichtet und war von überregionaler
Bedeutung. Die heutige Fassade stammt aus dem Jahr 1776; in den beiden
später angebauten Seitenschiffen kann man interessante Kunstschätze
bewundern, so zum Beispiel ein Gemälde aus dem Jahr 1654.
Kirche
und Kirchturm von San Giacomo
Ursprünglich hieß die Kirche "San Nazario". Dem
Portal nach kann das Gebäude auf das Jahr 1040 zurückdatiert
werden. Die Kirche hatte zusätzlich zum Hauptaltar zwei Nebenaltare,
jedoch keine Sakristei. Die Innenausstattung war prachtvoll; heute
jedoch ist vom früheren Glanz nur noch der Hauptaltar erhalten
mit dem Bild des Abendmahls von Riccardo Gontero, einem Künstler
aus Cumiana. Der Turm, der sich neben der Kirche erhebt, ist ein Bauwerk
im romanischen Stil.
Die Klosterkirche
San Rocco und San Sebastiano
Die Ursprünge des gegenüber der Kirche Santa Maria della
Motta liegenden Gebäudes gehen auf die Mitte des 17. Jahrhunderts
zurück. Ein Jahrhundert später liegen neue Pläne für
eine neue, größere Kirche mit elliptischem Grundriss vor.
Im Innenraum kann der Besucher neben vielen anderen Kunstwerken einen
schönen Marmoraltar sowie die Statue des Heiligen Rocco bewundern.
Äußerlich präsentiert sich die Klosterkirche mit nüchterner
Eleganz.
Die Kirche
Santa Maria Assunta
Auf halber Strecke der Landstraße, die in das Zentrum Cumianas
führt, liegt Santa Maria Assunta. Die im Jahre 1312 erstmals
erwähnte Kirche mit dem Grundriss eines Malteserkreuzes und dem
massiven Kirchturm wurde mehrfach umgebaut und restauriert. Sie präsentiert
sich heute im Inneren mit ionischen Säulen, Wandgemälden,
mit Trompe-l'oeil-Elementen aus dem 18. sowie Fresken aus dem 19.
Jahrhundert.
Das Costa-Schloss
- "Castello della Costa"
Von dem im 13. Jahrhundert als eine Art Veste erbauten Castello sind
heute nur noch Reste des Mauerrings geblieben. Von 1366 bis 1864 befand
es sich im Besitz der Familie Canalis, die es als Residenz nutzte.
Anschließend wechselte das Gebäude mehrmals den Besitzer
und heute ist der der Öffentlichkeit zugängliche Teil Eigentum
der Familie Vaglio.
Der Bau besteht aus vier in ihrer architektonischen Gestaltung sehr
unterschiedlichen Flügeln, die durch einen zentralen Innenhof
miteinander verbunden sind. Nach erfolgten Renovierungsarbeiten präsentieren
sich die Ostseite und die dreistöckige, nach Süden ausgerichtete
Hauptfassade in gutem Zustand. Eine monumentale Treppe führt
in das Gebäude sowie auf eine 115 qm große Terrasse aus
Carrara-Marmor, von der aus einige antike Sonnenuhren bewundert werden
können. Eine davon zeigt noch heute die genaue Tageszeit an.
Wenn auch heute die meisten Einrichtungsgegenstände im Castello
fehlen, so sind jedoch die Fresken, wahrscheinlich von den Gebrüdern
Pozzo aus dem 18. Jahrhundert, zu besichtigen. Sie zieren den 104
qm großen Salon und weisen viele Trompe-l'oeil-Effekte auf.
Ebenso kann der Besucher die Originalfenster, den Holzboden und die
Kassetten-decken aus dem Ende des 17. Jahrhunderts sowie verschiedene
Gobelins und Wandteppiche bewundern. Vom großen Salon aus gelangt
man zu einer kleinen barocken Privatkapelle.
Der große Park mit altem Baumbestand umgibt die gesamte Anlage
des Castellos. Er besteht aus mehreren wunderschönen Terrassen
und Gärten. Eine schattige befahrbare Allee führt zum Belvedere,
einer Terrasse mit Panoramablick auf Cumiana.
Das Castello beherbergt eine Dauerausstellung mit Einrichtungsgegenständen.
Die Übersetzung ins Deutsche wurde am Institut
fuer Fremdsprachen und Auslandskunde in Erlangen unter Anleitung der
Dozentin
Dr. Monika Kiffer-Rothgang mit folgenden Studentinnen erstellt:
Timea Farkas
Stephanie Gellersen
Heike Kempa.